Wortnetze
Wie bereits auf der Seite „Freie Malerei“ beschrieben, experimentiere ich gerne. Seit vielen Jahren inspiriert mich das Thema „Wort und Schrift“ als Objekt. Durch die Transformation von der zweidimensionalen Eben in die Dreidimensionalität wird die Funktion eines Wortes deutlich, das Wort als Trägerkörper eines Inhalts. Durch Rost und Patina wird die Vergänglichkeit aufgezeigt. Indem ich Worte zu Objekten forme transportiere ich einen weiteren Inhalt.
Die ersten Arbeiten zu der Technik, die ich „Wortnetze“ nenne, entstanden vor ca. fünfzehn Jahren. Ich wollte Worte als Objekte sichtbar machen und gleichzeitig ihre Zartheit und Filigranität erhalten. Zu Beginn entstanden Sätze, die ich eng miteinander verwoben habe. Dadurch bildeten sich reizvolle Wortnetze, die bei einer starken Ausleuchtung interessante Schatten werfen. Ich experimentierte mit diesen Schattenformen, arbeitete an spiegelverkehrten Wortgebilden, die von innen heraus beleuchtet wurden, so dass sich die Schatten an der Wand lesbar abbildeten. Diese Richtung verwarf ich dann wieder, weil ich mich zu sehr auf die Lesbarkeit konzentriert hatte. Die Schattenwürfe selbst, mit ihren Verzerrungen und Unlesbarkeiten, waren weit interessanter, als der Inhalt der Worte. So begann ich mich vom Inhalt zu lösen und mich mehr der Form zuzuwenden, die aus der Vernetzung der Worten entsteht.
Bei den ersten dreidimensionalen Wortnetzen gab ich einfach das Wort wieder, das dargestellt wurde, wie
z. Bsp. bei der Arbeit gefliedert. Die Blätter wurden aus den Worten „Blatt Blatt Blatt“ gebildet, die Vase aus dem Wort „Vase“ usw. Ebenso bei den Nachen, die aus der Wiederholung und Vernetzung des Wortes „Nachen“ entstanden sind.
Dann begann ich die Worte, passend zum Inhalt, einzufärben, wie das rosa bei dem Kleid Rosen, Tulpen, Nelken, das aus Poesiealbum-Sprüchen angefertigt wurde. Da es sich drehen kann entstanden bei dieser Arbeit komplexe Schattenformen, die lebendig über die Wände wandern.
Durch dieses Themengebiet, Worte miteinander zu vernetzen, zu verweben und Durchbrüche zu schaffen, entstand das Interesse an Verwobenem auch auf anderen Gebieten. Eine Serie von Bildern, in Streifen gerissen oder geschnitten und neu miteinander verwoben, entstand parallel zu den Wortnetzen
(Beispiele: Ich entdecke Grau und Ich seh´den Wald vor lauter Bäumen nicht).
Wenn mich der Inhalt der Worte beschäftigt, versuche ich, die ersten Impulse spontan in Bildern auszudrücken. In meiner Malerei entstehen Bilder, in die Wortnetze als Text integriert werden. Zurzeit beschäftige ich mich mit den Koans des Zen-Buddhismus und mit Haikus. (Bsp: Wie klingt das Klatschen einer Hand und Wo bist du wenn ein Vogel singt).
Ungesagt liegen Worte in der eigenen Seele, zusammengeballt zu einem unentwirrbaren Knoten. Kein Wort kann sich daraus lösen. Dieses Knäuel aus Worten liegt schon so lange unlösbar, dass es rostet.
Das Wortnetz Reuse besteht aus Sprichworten, die man jahrelang gehört hat, wie: „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ und „Morgenstund´ hat Gold im Mund“. Worte können wie geistige Fesseln wirken, wie ein Gefängnis, in das man gerät und nicht mehr hinaus findet, wie bei einer Reuse.
Die Kokons wurden aus der Schöpfungsgeschichte gestaltet: “Im Anfang war das Wort…“. Der Kokon wird hier ein Sinnbild für das Wort selbst. Das Wort wurde zur Materie verdichtet. Das Wesentliche, das Unmaterielle, ist unsichtbar entschwunden. Das Wort selbst wird unwesentlich. Es bleibt als leere Hülle zurück.
Worte zum sichtbaren Objekten zusammenzufügen, befreit von einem Träger, so dass sie selbst zum Träger werden, wird mich noch weiter beschäftigen. Mich reizt daran außerdem, die Erstarrung durch Patina und Rost darzustellen, die Festigkeit und Enge und auch die Alterung, die Worte haben können. Hierdurch wird auch die Trennung deutlicher, dass das Wort nur ein Gefäß ist, das den Inhalt trägt.